EuGH zu Zollsanktionen – Ein Ausblick
9. April 2024
Urteil des EuGH v. 23.11.2023, Rs. C-653/22 „J.P. Mali“
Gem. Art. 42 UZK müssen die Mitgliedstaaten Sanktionen für Zuwiderhandlungen gegen zollrechtliche Vorschriften vorsehen. Diese Sanktionen sollen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. Mit dem Urteil vom 23.11.2023 ebnet der EuGH den Weg in ein – aus deutscher Sicht – rigides Sanktionsregime bei zollrechtlichen Verstößen. Denn das Urteil sollte im Zusammenhang mit dem Reformvorschlag zum Unionszollkodex (UZK-R) der Kommission vom 17.05.2023 gelesen werden.
In Deutschland werden Verstöße gegen unionszollrechtliche Vorschriften unterschiedlich sanktioniert. Es kann sich, je nach Sachverhalt, etwa um eine Steuerhinterziehung (§ 370 AO) oder um eine Steuerverkürzung (§ 378 AO) handeln, wenn durch das zu ahndende Verhalten Einfuhrabgaben verkürzt wurden. Eher formale Verstöße werden als Steuerordnungswidrigkeit unter dem Generaltatbestand der Gefährdung von Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben nach § 382 AO sanktioniert. Der Bußgeldrahmen einer leichtfertigen Steuerverkürzung liegt bei bis zu 50.000,- EUR und bei der Gefährdung von Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben bei bis zu 5.000,- EUR. Ausgangspunkt bei der Verhängung einer Geldbuße ist dabei das vorwerfbare Verhalten und nicht per se die Höhe der verkürzten Abgaben.
In anderen EU-Mitgliedstaaten besteht jedoch ein sehr viel strikteres Sanktionsregime, so etwa in Schweden, Belgien oder Ungarn. Dort wird die Höhe der bußgeldrechtlichen Sanktion per se an die Höhe des verkürzten Abgabenbetrages geknüpft. Dies bedeutet, je höher der verkürzte bzw. nicht entrichtete Abgabenbetrag ist, desto höher ist im ersten Ansatz das Bußgeld für den zollrechtlichen Verstoß, welcher der Verkürzung bzw. Nichtentrichtung zugrunde liegt.
Mit dem Urteil des EuGH v. 23.11.2023 in der Rechtssache C-653/22 wurde ein solches eher starres Sanktionssystem, welches eine direkt proportionale Geldbuße zum Zollfehlbetrag vorsieht, grundsätzlich bestätigt. Voraussetzung ist allerdings, dass innerhalb des Sanktionssystems das Verhalten der zu sanktionierenden Person hinreichend berücksichtigt wird. Zwar wird dadurch das vorwerfbare Verhalten ggf. auch zugunsten des Bußgeldadressaten gewertet werden, allerdings soll eine Mindestbußgeldhöhe selbst von 25 % bei Gutgläubigkeit und aktiver Mithilfe bei der Aufklärung des Sachverhaltes zulässig sein.
Bewertung
Das Urteil des EuGH betrifft auf den ersten Blick nur das aktuelle Zollsanktionsrecht in Ungarn. Doch der UZK-R sieht in seinem Art. 254 Mindestsanktionen bei zollrechtlichen Verstößen vor. Hat der zollrechtliche Verstoß Auswirkungen auf Zölle und andere Abgaben, sollen Bußgelder – die im UZK-R blümerant als „finanzielle Belastung“ umschrieben werden – im Falle von Vorsatz 100 % bis 200 % und im Falle der Fahrlässigkeit 30 % bis 100 % der entgangenen Zölle oder Abgaben festgesetzt werden können. Bei Fahrlässigkeit ist das Mindestbußgeld nach den Vorgaben des Art. 254 UZK-R demnach 30 % der entgangenen Zölle oder Abgaben. Darunter geht es nicht.
Die Zulässigkeit eines derartigen Sanktionsregimes hat der EuGH mit dem oben erwähnten Urteil bestätigt. Im Vordergrund eines solch starren Sanktionsregime steht allerdings allein das finanzielle Interesse des Staates. Denn Anknüpfungspunkt der Sanktionierungsmotivation einer Zollrechtsverletzung durch den Staat ist, dass diesem Zoll- oder Abgabenbeträge entgangen sind und nicht mehr ein bestimmtes vorwerfbares Verhalten von Wirtschaftsbeteiligten.
Wenn fahrlässiges Verhalten zwingend mit mindestens 30 % des entgangenen Zoll- oder Abgabenbetrages sanktioniert werden soll, dann ist dies m.E. nicht mehr verhältnismäßig, denn die Höhe des entgangenen Zollbetrages sagt nichts über die Handlungsumstände und deren Sanktionswürdigkeit aus. Die gleiche fahrlässige Handlung wird demnach in direkter Abhängigkeit zum Zollwert und den daraus zu errechnenden Zöllen oder Abgaben – finanziell betrachtet -unterschiedlich hoch bestraft werden. Die „finanzielle Belastung“, wie das Bußgeld in Art. 254 UZK-R genannt wird, führt in einem solchen Sanktionsregime zu einer massiven Ungleichbehandlung. Denn es hängt allein vom Zufall des Zollwertes ab, wie hoch eine Sanktion sein wird.